Schluck für Schluck
Dysphagietherapie bei Kindern und Erwachsenen
Bericht von Yvonne Weber
Passend zum 10-jährigen Jubiläum des vpl zeigte sich das 5. Herbsttreffen der Patholinguistik am 19.11.2011 im neuen Gewand. Die Tagung fand zwar wieder auf dem Campus Griebnitzsee der Universität Potsdam statt, war aber in einen modernen Gebäudekomplex umgezogen, der keine Wünsche mehr offen ließ. Damit ist es den Organisatoren gelungen, der mittlerweile etablierten Veranstaltung einen passenden Rahmen zu geben. Erstmalig gab es auch Verkaufs- und Infostände von Verlagen wie ProLog oder Elsevier.
Eröffnet wurde das Herbsttreffen mit einem Rückblick auf die Entwicklung des vpl und vielen Glückwünschen zum Jubiläum. Bente von der Heide berichtete von der Gründung am 18.11.2001 mit sieben Patholinguisten und der ersten Versammlung, auf der sich dann insgesamt 13 Mitglieder einfanden. Michael Wahl gab einen Einblick in die „Jugendjahre“ des vpl, der sich sehr schnell entwickelt hat und dessen Mitgliederzahl mittlerweile auf 270 angewachsen ist. Besonders stolz war er darauf, dass sich davon 80 Mitglieder – also rund 30% – im Vorstand oder in AGs engagieren. Ria de Bleser stellte in ihrer Rede heraus, wie sich die universitären Strukturen rund um den Studiengang Patholinguistik in den 20 Jahren, die die Universität Potsdam nun besteht, entwickelt haben: Das anfangs kleine Institut mit vier Professuren ist nun zum Department Linguistik mit zwölf Professuren geworden, das besonders durch die Umstellung auf die Bachelor- und Master-Abschlüsse Patholinguistik, EMCL, IECL und IDEALAB europa- und weltweiten wissenschaftlichen Austausch bietet. Dafür wünscht sie sich mehr Master- und Promotionsstudenten, da es momentan zu wenig wissenschaftlichen Nachwuchs aus Potsdam gebe. Volker Maihack vom dbs wies in seinem „Blick von außen“ auf den vpl auf die Rolle der Patholinguistik zur Etablierung hoher diagnostischer Standards in der Kindersprache hin und bewunderte die in den letzten Jahren immer breiter gewordene Aufstellung an Themen, zu denen Patholinguisten forschen und neue Entwicklungen herbeiführen.
Die Fakten und Anekdoten der zehnjährigen Geschichte ließen sich auch in einem bunten Wandelgang nachvollziehen, den die Organisatoren zusammengestellt hatten.
Den ersten Vortrag zum diesjährigen Thema „Schluck für Schluck“ hielt Jenny von Frankenberg vom ZAPP Berlin. Sie stellte Möglichkeiten zur Diagnostik und Therapie von myofunktionellen Störungen und Dysphagien im Baby- und Kleinkindalter in der ambulanten sprachtherapeutischen Praxis vor. Sie fasste für die verschiedenen Therapiebereiche konkrete Übungshierarchien zusammen und berichtete von Abläufen und Übungsmaterialien, mit denen man besonders die sehr jungen Patienten und ihre Eltern effektiv in die Therapie einbinden kann.
Rainer Seidl vom Unfallkrankenhaus Berlin zeigte in seinem Vortrag zur evidenzbasierten Medizin in der Diagnostik und Therapie neurogener Dysphagien besondere Fallstricke auf diesem Gebiet auf. Beispielsweise sind bereits die Ergebnisse radiologischer oder endoskopischer Schluckuntersuchungen nur zu 60% reproduzierbar, da standardisierte Untersuchungsbögen kaum genutzt werden, so dass bereits die Diagnosen zu wenig abgesichert sind. Auch für viele gängige Therapiemethoden zeigte er, dass sich deren Effektivität nur in wenigen Fällen signifikant belegen lässt. Er rief zu einem Umdenken und zu mehr Grundlagenforschung auf dem Gebiet des Schluckens und der Schlucktherapie auf.
Auszüge genau solcher Grundlagenforschung stellte Ulrike Frank von der Universität Potsdam in ihrem anschließenden Vortrag „Wie viel Schlucken ist normal?“ vor. Sie hat mit ihrem Team Normdaten zur Schluckfrequenz, zum Bolusvolumen pro Schluck Wasser und zur Atem-Schluck-Koordination an gesunden Erwachsenen erhoben. Die Studien machten deutlich, dass es auch bei Gesunden eine sehr große Streuung der Leistungen gibt, so dass die Ableitung von Normdaten zur Identifikation pathologischer Schluckvorgänge eher fragwürdig wäre, da man nie die Daten zum prämorbiden Status des Patienten hat.
Die Kaffeepausen boten Gelegenheit, die Posterpräsentationen im Foyer zu besuchen und mit den Autoren ins Gespräch zu kommen. Eine geheime Jury wählte in diesem Jahr erstmals drei Poster zur Auszeichnung mit dem Posterpreis aus. Dabei belegte das Poster von Doreen Schöppe und KollegInnen zum Thema „Phonologische Sprachförderung bei Vorschulkindern deutscher und nichtdeutscher Herkunftssprache“ den ersten Platz. Das 5. Herbsttreffen der Patholinguistik überzeugte in diesem Jahr wieder mit fachlich sehr wertvollen, praxisorientierten Vorträgen in einem angenehmen, neuen Ambiente!
Nach dem Herbsttreffen und der Mitgliederversammlung feierten am Abend Mitglieder und Gäste des vpl bei Büffet und Getränken, mit DJ, Jazz-Chor und vor allem mit viel guter Laune ihren Verband in der Mensa.